Nicht Schluss mit lustig!

Palliativpflegerin Marion Zwanzig über Humor angesichts von Krankheit, Sterben und Tod.

Interview: Sabine Eisenhauer

Marion_Zwanzig

 

Marion Zwanzig (53) koordiniert als Mitarbeiterin der Hospiz-Initiative Wesel e. V. die Begleitung sterbender Menschen in Altenpflegeheimen. Die Fachpflegerin für Palliative Care ließ sich vor einem Jahr zur Clownin ausbilden.

 

 

Angst und Schmerzen, Trauer und Wut begleiten meist das Lebensende. Darf man am Sterbebett auch lachen?
Es gibt Menschen, die ihr Leben grundsätzlich mit einer heiteren Gelassenheit nehmen. Ihren Humor verlieren sie auch am Lebensende nicht. Bei der Sterbebegleitung lernte ich zum Beispiel eine Dame kennen, die aufgrund einer Kanüle in der Luftröhre nicht sprechen konnte. Als sie sich einmal in den Schläuchen von Infusion und Blasenkatheter verhedderte, schmunzelte sie, und ihre Augen blitzten auf vor Heiterkeit über dieses Missgeschick. Mir begegnete auch ein älterer Herr, der die Altenpflegerin, die ihn mit Morphiumpflaster und Schmerzspritze versorgte, mit einem Scherz begrüßte: „Da kommt wieder die Schwester Rabiata, gleich klebt sie mir eine, und wenn das nicht genug ist, sticht sie auch noch zu.“ Menschen mit einem heiteren Gemüt gelingt es oft, solchen und anderen tragischen Momenten die Schwere zu nehmen.

Humor in der Hospizarbeit bedeutet also mehr, als sich eine Pappnase im Krankenzimmer aufzusetzen?
Wir stolpern auf keinen Fall mit der roten Nase an die Betten, das wäre unangemessen. Humor in der Hospizarbeit drückt vielmehr eine Haltung aus, die die individuellen Bedürfnisse der Sterbenden wahrnimmt und ernst nimmt. Begegnungen aus dieser Haltung heraus ermöglichen, gemeinsam zu lachen – manchmal sogar am Sterbebett. Die Perspektive auf diese Weise zu wechseln, kann einer Situation die Tragik nehmen. Stolpern, hinfallen, aufstehen und weitermachen – davon erzählt auch die Clownerie. Ich habe mich dazu extra ausbilden lassen, wobei es vor allem darum ging, etwas über Humor als Haltung zu lernen, die auch in der Begleitung Sterbender ihren Platz haben kann. Ich habe gelernt, wie ich das Befinden der Menschen, die ich begleite, erspüren und darauf eingehen kann.

Sind Sie als Clownin auch am Sterbebett im Einsatz?
Nein, das bin ich nicht. Ich arbeite ja in erster Linie als Palliativfachkraft und möchte von Patienten nicht als Clownin wahrgenommen werden. Es sei denn, sie wünschen das ausdrücklich. Dann wirkt das auch bei einer palliativen Begleitung nicht befremdlich. Ich trete meist als Bühnenclown auf, unter anderem beim Pfarrkonvent oder vor Mitarbeitenden in der Hospizarbeit. Dann bin ich die Clownin „Paola Allegra“.

Wen verkörpert sie?
Eine italienische Serviererin mit weißer Bluse, schwarzer Hose und hohen Absätzen. Sie ist laut, fröhlich und hat eine ausladende Gestik. In meinem Solostück wirbelt sie hektisch durchs Restaurant und bereitet akribisch die Tische vor. Als sie merkt, dass keine Gäste kommen, besinnt sie sich auf sich selbst, sie genießt das Essen und wirft die einengende Kleidung ab.

Wie reagiert das Publikum?
Als ich das Stück bei einem Abend vor Hospizhelfern gezeigt habe, herrschte große Heiterkeit. Dann aber auch viel Nachdenklichkeit, da viele der Helfer sich und ihr Verhalten wiedererkannt haben. Anschließend haben wir uns über Aktionismus und die eigenen Grenzen beim Dienst in der Hospizarbeit unterhalten.

Vergeht Ihnen das Lachen, wenn Sie an den eigenen Tod denken?
Als Christin glaube ich, dass es nach dem Tod weitergeht, und dass es dann keinen Schmerz und kein Leid mehr gibt. Ich würde daher sehr gerne mein eigenes Sterben mit einer heiteren Gelassenheit hinnehmen. Vielleicht werde ich aber auch mal jammern und bis dahin noch lernen, dass auch das Klagen seine Zeit hat und für mich in Ordnung ist.

Wünschen Sie sich dann jemanden, der Ihre Situation mit einem Lachen begleitet?
Wenn ich sterbe, wünsche ich mir jemanden an meiner Seite, der meine Bedürfnisse auch nonverbal versteht und auf sie eingeht – sei es, dass ich den Wunsch habe zu lachen, oder doch lieber weinen möchte.