Religion und Gewalt

Die neue Ausgabe von „debatte“ (2017)

Liebe Leserinnen und Leser,

schalom, salam, peace, pace, paix, Frieden lautet die Botschaft der Religionen, und doch zieht sich eine blutige Spur der Gewalt durch deren Geschichte – bis heute: In der Zentralafrikanischen Republik bringen sich Christen und Muslime gegenseitig um, der „Islamische Staat“ führt einen internationalen Feldzug, Buddhisten ermorden Muslime der Rohingyas in Myanmar, um nur einige Beispiele zu nennen. Sind es die Glaubenslehren selbst, die Brände beschleunigen? Bergen manche Religionen mehr Gewaltpotenziale in sich als andere? Oder haben Gewalttaten vielmehr ihren Grund in sozialer und globaler Ungerechtigkeit?

Religionen auf den Prüfstand zu stellen – ihre Absolutheitsansprüche, ihre fundamentalen Grundsätze, ihre heiligen Schriften – löst oft Abwehr unter Gläubigen aus. Eigene Überzeugungen erscheinen über jeden Zweifel erhaben; als sei religiös motivierte Gewalt allein das Problem der anderen, der Falschgläubigen und Fehlgeleiteten. Auf die Bewertung folgen schnell Abwertung und Diskriminierung – und schon beginnt sich die Spirale der Gewalt zu drehen.

Auch als Christinnen und Christen müssen wir unseren Blick weiten und uns fragen, wie wir unseren Glauben in einer globalisierten, multireligiösen Welt vertreten, wie wir Zwietracht vermeiden und uns in Frieden und Toleranz üben. Wir dürfen Fundamentalisten und Fanatikern, die es in allen Religionen gibt, nicht das Feld überlassen. Im dritten Kapitel dieses Heftes zeigen wir deswegen explizit Beispiele von Menschen, die der Rechtfertigung und Verherrlichung von Gewalt entgegenwirken, damit Religionen ihre wohltuende Wirkung entfalten.

Eine anregende Lektüre wünscht

Manfred Rekowski

Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland

Foto: Eric Lichtenscheidt