Nicht aller Tage Abend

Der Tod ist nicht das Ende – darin sind sich die fünf Weltreligionen einig. Doch wie sieht das Jenseits aus?

Texte: Ulrike Klös, Foto: Marius Schirmer/photocase.de

 

Judentum

Die Jenseitsvorstellungen gehen im Judentum weit auseinander. Einerseits heißt es im Talmud: „In der kommenden Welt wird man weder essen noch trinken, weder zeugen noch Geschäfte machen, es wird weder Eifersucht noch Hass noch Konkurrenz geben.“ Andererseits heißt es in einem chassidischen Lied: „Was wird sein, wenn der Messias kommt? Wir werden ein Festmahl veranstalten.“

Während in der hebräischen Bibel nur an wenigen Stellen unmittelbar vom Leben nach dem Tod und Jenseitsvorstellungen die Rede ist, werden seit der Zeit des zweiten Tempels, also vom vierten Jahrhundert vor bis zum ersten Jahrhundert nach Christus, im Judentum verschiedene Ansichten über den Zustand nach dem Tod diskutiert: Die Pharisäer glaubten an die Auferstehung der Toten, die Essener an die Unsterblichkeit der Seele und die Sadduzäer an keine dieser Möglichkeiten.

Die Unsterblichkeit der Seele und auch die Auferstehung der Toten stehen im Judentum immer im Kontext der „zukünftigen Welt“, die Gott verheißen hat und die unsere Welt in das messianische Friedensreich verwandeln wird. Nachzulesen ist das in der Bibel bei Jesaja (65,17ff) und in der Offenbarung (21,1ff). Und im Traktat Schabbat des babylonischen Talmuds ist überliefert, dass folgende Taten ihr Licht in die „kommende Welt“ werfen: Ehrung der Eltern, Nächstenliebe, Krankenbesuche, Gastfreundschaft, Synagogenbesuch, Friedensstiftung zwischen Freunden und Eheleuten sowie das Torastudium (vgl. Paulus in 2. Korinther 5,10).

 

Christentum

Für Christinnen und Christen ist mit dem Tod nur das irdische Leben zu Ende. Sie glauben an „die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“. So sprechen sie es in ihrem Glaubensbekenntnis, und so erzählt es das Neue Testament. Jesus selbst, Gottes Sohn, sei von den Toten auferstanden und zu seinem Vater in den Himmel aufgefahren. Wer an Jesus glaubt, werde nach seinem irdischen Tod ebenfalls das ewige Leben im Himmel erlangen.

Wo der Himmel genau ist und wie es dort aussieht, kann kein Christ mit Bestimmtheit sagen. In früheren Jahrhunderten haben die Menschen sich den Himmel als einen ganz realen, paradiesischen Ort ausgemalt, wo sie mit allen Ahnen nahe bei Gott leben. Ebenso glaubten sie an die Hölle als einen Ort der Verdammnis, fern von Gott, wo ein ewiges Höllenfeuer loderte. Hierhin würden Menschen kommen, die gegen Gottes Gebote verstoßen hatten. Gott selbst, so glaubten Christen damals, entscheidet beim „Jüngsten Gericht“ darüber, welcher Mensch in den Himmel und welcher in die Hölle kommt.

Heute interpretieren christliche Theologen die Auferstehung, den Himmel und die Hölle eher symbolisch als Metaphern. So wie man vom Schlaf aufsteht, so soll es analog einmal der Seele der Toten geschehen. Sie verwandle sich zu einem neuen unvergänglichen Leben im „Reich Gottes“.

 

Islam

Auch Muslime glauben – wie Christen – an eine Auferstehung und ein ewiges Leben. Gott als Schöpfer ist zugleich der „Herr der Welten“, der am Jüngsten Tag die Menschen nach ihren Taten richtet. Nach islamischer Tradition haucht Allah den Menschen bei der Geburt die Seele ein. Wenn sie sterben, trage der Engel Izra’il sie zu einem Zwischengericht in den Himmel (Sure 31:11). Habe der Verstorbene ein gottgefälliges Leben geführt, würden ihm seine Sünden vergeben. Wer nichts vorzuweisen habe, werde zum Ort der Verdammten gebracht. Die Seele kehre nun in den Körper des Verstorbenen zurück. Es folge eine Befragung im Grab. Könne der Verstorbene die Fragen über seinen Gott, seine Religion und seinen Glauben korrekt beantworten, verhießen ihm zwei Engel das spätere Leben im Paradies.

Sehr anschaulich schildert der Koran das Leben im Paradies als einen Ort des Friedens und der Freude, ohne jegliche Mühsal und Pein (Sure 15:46ff.). Hier seien die Menschen nahe bei Gott – als Lohn für ein Erdenleben in Hingabe zu Gott. Wer aber im Endgericht nicht bestehe, stürze hinunter ins Höllenfeuer. Doch Gott sei barmherzig und allmächtig. Deshalb könne Gott den Menschen ihre Sünden vergeben. Viele Muslime glauben, dass die Hölle nicht Gottes letztes Wort ist.

Nach muslimischer Tradition können auch Juden und Christen als „Leute des Buches“ mit Gottes Barmherzigkeit am Ende aller Tage rechnen.

 

Hinduismus

Für Hindus ist der Tod der Übergang in ein neues Leben. Ein unsterblicher Kern, den jedes Lebewesen besitze, bleibe vom Tod unberührt. Dieser Kern wird Atman genannt, das Selbst des Menschen. Es existiere unabhängig vom Individuum und sei unveränderlich.

Nach dem Tod verlasse das Atman den menschlichen Körper und nehme in der Wiedergeburt eine neue Existenzform an, so wie der Mensch ein altes Kleid ablegt und gegen ein neues austauscht. Hindus glauben daran, dass sie in unterschiedlichster Gestalt und millionenfach wiedergeboren werden – als Mensch, als Tier, als Pflanze und selbst als Gottheit.

Über die Gestalt, in der ein Hindu wiedergeboren wird, entscheide sein Karma. Der Begriff bedeutet „Handlung“ oder „Tat“. Hindus streben deshalb danach, im Leben viele gute Taten zu vollbringen, da sie glauben, dass diese ihr Karma positiv beeinflussen. Schlechte Taten würden sich dagegen negativ auf das Karma auswirken. Ziel der gläubigen Hindus ist es, sich einmal aus dem Kreislauf aus Leben, Tod und Wiedergeburt, Samsara genannt, zu befreien. Indem sie in ihren zahlreichen Existenzen möglichst viel gutes Karma anhäufen, gelinge schließlich die Befreiung (Moksha) aus dem Kreislauf der Wiedergeburten, und sie hoffen, ins Nirwana zu gelangen – das ist das Reich des vollkommenen Friedens und der Vereinigung mit dem Göttlichen.

 

Buddhismus

Der Buddhismus hat sich vor etwa 2 500 Jahren aus dem Hinduismus entwickelt und im Laufe der Jahrhunderte viele verschiedene Strömungen ausgebildet. Ähnlich wie Hindus glauben auch Buddhisten, dass die Menschen eingebunden sind in einen Kreislauf der Wiedergeburten. Das Leben ist aus ihrer Sicht Leiden, das entsteht, weil die Menschen mehr haben wollen, als sie schon besitzen. Der Tod ist für sie eines der Kennzeichen des Leidens in der Welt, das es zu überwinden gilt.

Jeder Mensch könne sich selbst erlösen, wenn er der Lehre Buddhas, des Erleuchteten, folge. Aufgabe des Buddhisten ist es deshalb, sich von allen irdischen Begierden zu lösen. Solange ein Lebewesen noch unerfüllte Wünsche hat, so die Überzeugung, kann seine Seele nicht zur Ruhe kommen. Nur wer keine Wünsche mehr habe, werde das Glück finden und erleuchtet sein. Erst in diesem Zustand seien seine Gedanken frei für das Mitgefühl für andere Menschen, für Tiere und Pflanzen – für Buddhisten die Voraussetzung dafür, das Nirwana zu erreichen.

Das Nirwana beschreibt einen transzendenten Zustand, in dem alle menschlichen Vorstellungen, Wünsche und Begierden überwunden sind. Diesen Zustand erreiche der Mensch, wenn er dem von Buddha so benannten „Achtfachen Pfad“ folge, das heißt, wenn er „rechte Anschauung, rechten Entschluss, rechte Rede, rechtes Tun, rechten Lebensunterhalt, rechte Anstrengung, rechte Verinnerlichung und rechte Vertiefung“ praktiziere.